Wissen, wie’s geht
Wissen, wie’s geht
Studierende lernen an selbst restaurierter Maschine, wie moderne Verzahntechnik funktioniert. Maschinenbaustudium in Mittweida praxisnah und individuell in vier Vertiefungen.

Zahnräder sind fast überall dort nötig, wo etwas bewegt werden muss. Bei größeren Kräften sind sie zumeist aus Metall und werden aus dem Vollen gefräst. Das Verfahren des Wälzfräsens zur Herstellung von Zahnrädern wurde vor weit über hundert Jahren in Chemnitz erfunden und ist noch heute aktuell. Moderne Maschinen führen diesen Prozess weitgehend automatisiert aus: Der Werkzeug- und Werkstückwechsel dauert nur wenige Sekunden. Ein neues Zahnrad entsteht hinter Sicherheitsglas so schnell, dass der eigentliche Vorgang verborgen bleibt.
Prinzipen anschaulich machen
„In der Ausbildung unserer Maschinenbaustudierenden setzen wir auf absoluten Praxisbezug, sei es bei der Vermittlung klassischer Verfahren wie dem Fräsen oder moderner additiver Verfahren wie dem 3D-Druck. Der Maschinenbau ist gerade in einem spannenden Wandel begriffen. Es gibt ständig neue Herausforderungen: Nachhaltigkeit wird wichtiger, KI zieht ein. Das Studium in Mittweida bereitet darauf vor. Dazu gehört auch, grundlegende Verfahren anschaulich zu demonstrieren“, sagt Professor Ruben Bauer von der Fakultät Ingenieurwesen der Hochschule Mittweida (HSMW) und freut sich über das neuste Gerät in seinem Labor: eine siebzig Jahre alte Wälzfräsmaschine.
„Das Wälzfräsen ist ein komplizierter Vorgang“, so Bauer weiter. „Werkzeug und Werkstück müssen mit exakten Drehzahlen rotieren und exakt zueinander bewegt werden. Da müssen im wahrsten Sinn des Wortes alle Zahnräder richtig ineinandergreifen. Die Studierenden lernen an dieser Maschine, die richtigen Werkzeuge zu wählen und alle Parameter korrekt einzustellen – und sie lernen anschaulich, was passiert, wenn nur ein Detail nicht stimmt.“
Praxisprojekt Maschinenrestaurierung
Dass mit der alten Maschine wieder alles stimmt, bevor sie im Hochschullabor zum Einsatz kommt, hatte sich Max Brunner zur Aufgabe gemacht. In den vergangenen sechs Monaten hat der Maschinenbaustudent jedes Bauteil in die Hand genommen, justiert, geschmiert, ausgetauscht, was kaputt war, und nachgefertigt, was es nach siebzig Jahren nicht mehr als Ersatzteil gab.
„In meinem Praktikum bei einem großem Werkzeugmaschinenhersteller in Kempten arbeite ich gerade mit den modernen Nachkommen meiner ‚ZWFZ 500-5‘“, sagt Max. „Sie können alles tausendmal schneller, aber machen es nach dem gleichen Prinzip. Die Chance, mich in Mittweida so intensiv damit zu beschäftigen, war einmalig. Ich freue mich, dass meine Kommiliton:innen daran jetzt praktisch arbeiten können.“
Maschinenbaustudium mit individueller Note
Max schließt sein Studium im Herbst 2025 mit dem Bachelor of Engineering ab. Nach dem ersten Studienjahr mit den natur- und ingenieurwissenschaftlichen Grundlagen und einem Überblick über die Vielfalt des Maschinenbaus hatte er die Auswahl aus vier Vertiefungen: Laser- und Oberflächentechnik, Fahrzeugentwicklung für nachhaltige Mobilität, Ressourceneffiziente Fertigungstechnik, das Spezialgebiet von Professor Ruben Bauer, oder Digitale Produktentwicklung, für die sich Max entschied.
Lehrstücke, keine Erinnerungsstücke
Dieter Fritzsche und Roland Wolf haben Max Brunner mit ihren Erfahrungen unterstützt. Sie betreuen im Industriemuseum Chemnitz alte Maschinen, auch die ihres früheren Arbeitgebers „Modul Karl-Marx-Stadt“, der in den frühen 1950er Jahren die Wälzfräsmaschine „ZWFZ 500-5“ hergestellt hat, die jetzt an der HSMW im Einsatz ist.
„Für uns sind diese alten funktionsfähigen Maschinen keine Erinnerungsstücke an vergangene Zeiten, sondern Lehr- und Anschauungsstücke für Technik, die wir den heutigen Menschen näherbringen wollen“, sagt Fritzsche.
Familientradition in vier Generationen
Die Maschine ist eine Dauerleihgabe der Familien Schubert und Talke, stammt aus dem Nachlass von Konrad Schubert (1933–2023), dem Inhaber von Maschinenbau Willy Hetzel im erzgebirgischen Pockau. Bei der feierlichen Übergabe am 27. Juni im Maschinenbaulabor der HSMW war die Familie in vier Generationen anwesend.
Thomas Schubert, Sohn von Konrad, freute sich, dass die Maschine in Mittweida ein neues Zuhause gefunden hat und jetzt in der Ausbildung künftiger Maschinenbau-Ingenieur:innen gute Dienste leistet. Hanna Schubert, Witwe von Konrad, ergänzt: „Ihm hätte das gut gefallen!“ – vermutlich auch, dass sein Urenkel Damian ab Wintersemester an der HSMW Maschinenbau studieren wird.
Am 30. September lädt die Hochschule Mittweida zum „1. Mittweidaer Getriebetag“ ein.
Fotos (wo nicht anders angegeben) und Text: Helmut Hammer