Ausgezeichnete – junge – Forschung

Ausgezeichnete – junge – Forschung

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Wissenschaftspreis und Gerhard-Neumann-Preis an der Hochschule Mittweida vergeben.

Drei männliche Personen mit Urkunden in der Hand. Zwischen ihnen auf einem großen Bildschirm eine weibliche Person.
Prorektor Forschung Professor Uwe Mahn (r.) mit den Preisträger:innen des Wissenschaftspreises der HSMW 2025: Pascal Winkler, hier vertreten von Jim Köcher, Justus Reuter und live zugeschaltet Dr. Marika Kaden.

Die Hochschule Mittweida (HSMW) hat vier neue Preisträger:innen: Dr. Marika Kaden, Justus Reuter und Pascal Winkler gewannen beim Wissenschaftspreis 2025 der HSMW, Fritz Backofen wurde mit dem Gerhard-Neumann-Preis ausgezeichnet. Die Preise wurden beim Tag der Forschung der HSMW am 9. Dezember vergeben.

Für den Wissenschaftspreis hatte eine Jury die Einreichungen begutachtet und fünf Forschende nominiert. Beim Tag der Forschung traten sie noch einmal in einem Pitch an – ausschlagend für das Publikums-Voting, das am Ende die Reihenfolge der Jury-Bewertung veränderte.

KI fairer machen

Dr. Marika Kaden von der Fachgruppe Mathematik der Fakultät CB erreichte Platz eins. Sie pitchte von unterwegs, live aus dem Hauptbahnhof von Hannover, und überzeugte mit ihrem Thema: „KI-unterstützte Detektion und Eliminierung von Bias in Trainingsdaten für KI-Systeme – ein Beitrag zur Entwicklung fairer und nachhaltiger KI“. Dr. Kadens Herausforderung ist der sogenannte Bias: Die Qualität von Vorhersagen oder Entscheidungen durch KI-Systeme ist maßgeblich durch die Qualität der Trainingsdaten bestimmt. Nicht erkannte bzw. ungewollte Verzerrungen in den Daten bezüglich eines Entscheidungskriteriums werden als Bias bezeichnet. Sie können zu Bias-behafteten Entscheidungen des Systems führen. Zum Beispiel können Evaluationen von Lernleistungen ungewollt durch versteckte Informationen über das Geschlecht beeinflusst sein. Nun geht es darum, erstens den vermuteten Bias in den Trainingsdaten zu erkennen, konkret zu benennen und gegebenenfalls von diesem Bias-Einfluss zu bereinigen. Beides sind zentrale Probleme bei der Entwicklung von KI-Systemen. Bisherige Lösungsansätze können oft Bias nur detektieren oder es werden meist Heuristiken zur Bias-Reduktion eingesetzt, sodass Korrektheit nicht sicher gewährleistet werden kann. Damit ist die Anwendung in sensiblen Bereichen, wie zum Beispiel in der Medizin, schwierig.

Dr. Marika Kaden hat gemeinsam mit der Forschungsgruppe des SICIMs und Wissenschaftlern von der Universität Groningen eine neue, KI-gestützte Vorgehensweise entworfen, so dass beide Herausforderungen mit nur einem einzigen KI-Modell gelöst werden können. Dazu wurde für das Detektionsmodell eine Architektur geschaffen, die auf Grund gezielt verankerter mathematischer Eigenschaften neben der Bias-Detektion auch diese Datenbereinigung im Fall der Detektion zulässt – eine sogenannte Null-Space-Projection. Wendet man diese Methode auf die Daten an, dann können diese nahezu vollständig vom Bias bereinigt werden, und es kann ein faires KI-Modell bezüglich des Entscheidungskriteriums mit den bereinigten Daten trainiert werden.

Wärmeübertragung optimieren

Der zweitplatzierte Justus Reuter von der Fachgruppe Konstruktion an der Fakultät INW trat mit seinem Forschungsthema „Numerische Simulation der Wärmeübertragung und Auslegung von additiv gefertigten Wärmeübertragern“ an. Energieeffiziente, leichte und kompakte Wärmeübertrager sind für Luft- und Raumfahrt, Leistungselektronik und Energietechnik entscheidend. Klassische Übertrager erreichen nur Wärmeübergangskoeffizienten von ca. 4 kW/(m²·K) und lassen sich schwer miniaturisieren. Sogenannte Triply Periodic Minimal Surfaces (TPMS) wie der Gyroid, den zum Beispiel auch Schmetterlingsflügel aufweisen, haben durch ihre periodische Geometrie ein sehr günstiges Verhältnis von Oberfläche zu Volumen. Das sorgt für geringen Strömungswiderstand bei hoher mechanischer Stabilität und hervorragender Strömungsführung. Mit dem am Laserinstitut Mittweida (LHM) entwickelten Mikro-SLM-Verfahren können solche Strukturen mit Zellgrößen von 1 bis 2,5 mm und Wandstärken von 100 μm aus Edelstahl gefertigt werden. Ziel: ein Wärmeübergangskoeffizient von 8–12 kW/(m²·K) und geringem Druckverlust, der numerisch optimiert und experimentell validiert wird.

Reuters Arbeitsprogramm startete mit der CAD-Modellierung, es folgten die numerische Simulation, die additive Fertigung – sowie schließlich die Experimentelle Validierung: Der Demonstrator erreicht Wärmeübergangskoeffizienten > 8 kW/(m²·K). Simulationen prognostizieren bis zu 12 kW/(m²·K), was einer Steigerung um mehr als 300 Prozent gegenüber konventionellen Platten-Wärmeübertragern entspricht.

Verschleiß kontinuierlich auswerten

Pascal Winkler, ebenfalls von der Fachgruppe Konstruktion, erreichte Platz drei beim Wissenschaftspreis 2025. Er fehlte krankheitsbedingt beim Pitch, aber sein Kollege Jim Köcher vertrat ihn bei der Vorstellung des Projekts „iSlide – Structure Health Monitoring System (SHMS) für Kunststoffführungselemente mit materialintegrierter Widerstandssensorik“. Gleitschienen in Förderanlagen bestehen meist aus Kunststoff und nutzen sich über die Zeit durch Reibung ab. Bislang wird sich auf Erfahrungswerte oder feste Austauschintervalle berufen, was wiederum meistens in einem zu frühen oder zu späten Austausch der Gleitschienen führt – beides ist teuer.

Das Projekt iSlide hat einen elektrisch leitfähigen und gleichzeitig tribologisch beständigen Kunststoff entwickelt, der im herkömmlichen Formpressprozess als eine speziell geformte elektrisch leitfähige Bahn in das Matrixmaterial der Gleitschiene eingebettet wird. Der Widerstand dieser Sensorbahn ändert sich während des Betriebs proportional zum Verschleißzustand. Durch eine geeignete elektrische Kontaktierung wird der Widerstand kontinuierlich während des Betriebs und in Echtzeit gemessen. Eine intelligente Software ermittelt den Verschleißzustandes der Gleitschiene. So können Wartungen präzise geplant, Stillstände minimiert und Ressourcen geschont werden.

Wissenschaft kommunizieren

Ebenfalls nominiert waren Lisa Prudnikow und Benny Platte, beide aus der Fakultät CB, wenn auch aus verschiedenen Disziplinen.

Lisa Prudnikow von der Fachgruppe Biotechnologie und Chemie zeigte am Beispiel des Mittweidaer „Bienenkompetenzzentrums“, wie wichtig Wissenschaftskommunikation ist – das heißt sowohl wissenschaftlich zu publizieren als auch Forschungsergebnisse verständlich zu machen, Wissen zu vermitteln, Vertrauen aufzubauen und gesellschaftliche Relevanz herzustellen. Im konkreten Fall der durch die Varroamilbe stark gefährdeten Bienenvölker und den Folgen für die Bestäubung unserer Nutzpflanzen geht es Prudnikow darum, zu zeigen, wie moderne gentechnologische Methoden dabei helfen können, große agrarökologische Fragestellungen zu beantworten.

Ambulante Versorgungsdaten erforschbar machen

Die „TeleBPM-Impact“-Studie von Benny Platte aus der Fachgruppe Informatik zielt auf ebenfalls auf ein sehr greifbares und hochaktuelles Gesundheitsanliegen: In der deutschlandweit ersten Studie mit einer Zulassung des Deutschen Registers klinischer Studien (DRKS) auf Basis des brandneuen Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) untersuchte Platte, wie Langzeitdaten aus hausärztlichen Praxen für Forschung und Versorgung nutzbar gemacht werden können, ohne dass personenbezogene Daten die Praxis verlassen. Im Fokus stehen chronische, bevölkerungsweite Erkrankungen wie arterielle Hypertonie, deren Versorgung überwiegend ambulant erfolgt, deren Daten aber kaum für wissenschaftliche Analysen erschlossen sind. Dafür wurden über viele Jahre gewachsene, bisher für Forschung unzugängliche Praxisdaten erstmalig extrahiert, harmonisiert und mit Methoden der Medizininformatik analysiert.

Werkstofftechnik und Data Science verbinden

Träger des diesjährigen Gerhard-Neumann-Preises ist Fritz Backofen, Bachelor- und Masterabsolvent der HSMW im Maschinenbau. Er wurde für seine Masterarbeit mit dem Titel: „Entwicklung eines Machine Learning-basierten Anwendertools zur Ergebnisvorhersage eines Aufschweißbiegeversuchs“ ausgezeichnet. In der mit 1,0 bewerteten Arbeit entwickelt Backofen ein Anwendungsprogramm zur Machine Learning-basierten Prognose des Versuchsergebnisses im Aufschweißbiegeversuch (ABV), einem Standardprüfverfahren zur Beurteilung des Rissauffangvermögens von Baustählen, die zum Beispiel für den Brückenbau der Deutschen Bahn eingesetzt werden. Der Preisträger implementierte ein Tool, das nach Eingabe der Werkstoffparameter eine Prognose zum Versuchsausgang liefert. Die Software bleibt auch dann funktionsfähig, wenn Teile von Datensätzen fehlen.

Für Erstprüferin Professorin Kristin Hockauf von der Fachgruppe Werkstoffe – Fertigung – Qualität der Fakultät INW leistet die Arbeit „einen substanziellen Beitrag zur datenbasierten Werkstoffbewertung und demonstriert ein interdisziplinäres Bindeglied zwischen klassischer Werkstofftechnik und moderner Data Science. Sie zeigt exemplarisch, wie durch die intelligente Kombination von domänenspezifischem Fachwissen mit fortgeschrittener Modellierungstechnologie robuste, erklärbare und praxisrelevante Lösungen für komplexe technische Herausforderungen geschaffen werden können“.

Fritz Backofen, inzwischen wissenschaftlicher Mitarbeiter und Promovend an der HSMW, arbeitete dazu mit der Chemnitzer Werkstoff- und Oberflächentechnik GmbH (CEWUS) zusammen, die ihm unter anderem die Datenbasis aus zahlreichen Versuchen zur Verfügung stellte.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt, in dessen Rahmen die Arbeit von Fritz Backofen entstanden ist.